Donnerstag, 26. Juli 2007

Frühling

Die ersten Tropfen ziehen Kreise in den Pfützen, die das letzte Gewitter in den Schlaglöchern hinterlassen hat. Rosa Streifen durchziehen die Wolken am Horizont, wie auf einem alten Ölgemälde.Die Luft riecht schwülwarm, zittert fast in der Erwartung des kommenden Wolkenbruches. Langsam, fast nachdenklich setze ich einen Fuss vor den Anderen, währen weitere Tropfen den Ledermantel hinabrinnen und auf den Haaren kleine, glitzernde Kugeln bilden, die vom Sonennlicht goldgelb gemalt werden. Erst habe ich dich gar nicht erkannt: Eine Gestalt, die mit ebenso langsamen Schritten durch den Regen auf mich zukommt. Während ich meinen Gedanken nachhänge, laufe ich fast in dich hinein. Ich erkenne dich erst jetzt, wo du kaum einen Meter vor mir stehst. Das Wetter ist inzwischen zu einem reglrechten Wolkenbruch übergegangen, deine Haare triefen nur so vor Nässe. Wie eine Art Vorhang fallen sie dir in die Augen. Mit dieser beiläufigen Bewegung, die ich doch schon so lange von dir kenne, streichst du sie mit einem der langen Fingernägel aus dem Gesicht. Unsicher siehst du mich von unten herauf an, eine genuscheltes "Hallo, du..." in Verbindung mit einem vagen Lächeln ist deine einzige Regung. Auf den ersten Blick sehe ich, dass es gespielt ist. Es braucht nicht erst die geröteten Augen, oder das Zittern in deiner Stimme, um das zu bemerken. Ich habe alles noch so gut in Erinnerung... Ich habe auch nicht vergessen, wie du gegangen bist... Ohne Worte... So, als ob nie etwas gewesen wäre...Nun stehst du wieder vor mir und musterst mich unsicher. Kurz kommt mir die Frage in den Sinn, ob du zu ihm bist, wie du zu mir gewesen bist... Im Grunde könnte es mir egla sein, aber der Gedanke, dass du bei Jemand anderem Bist ist kaum zu ertragen.
"Was ist passiert?" Frage ich dich.
"Nichts, warum?" In deinen Augen sehe ich, dass sich deine Antwort selbst für dich kläglich gespielt anhört.Du läufst hier gleichgültig durch ein Gewitter, bis du nass bis auf die Knochen bist und willst mir weis machen, dass alles in Ordnung ist? Lächerlich.
"Ich..." fängst du stockend an. "Er... Er hat..." kopfschüttelnd brichtst du ab, senkst den lick zu Boden. Kurz zögere ich, dann lege ich einfach die Arme um dich. Zittern, auch ein kurzes Zögern, bevor du den Kopf an meine Brust legst. Du zitterst noch mehr, als sich deine kleinen Hände an mich klammern. Unablässig fallen die Tropfen um uns, doch das Gewitter könnte diesen beiden Menschen, die da eng umschlungen standen, nicht ferner sein als jetzt. Langsam hebt sich dein Blick ein wenig. Du blickst mir in die Augen, mit diesem durchdringenden Blick, den ich von dir gewohnt bin.
"Es tut mir leid." Die Worte perlen langsam, wie das Wasser, das unablässig um uns herum fällt, über deine kalten Lippen.
"Was tut dir leid?" Obwohl ich die Antwort schon zu kennen meine, frage ich dich.
"Was damals passiert ist, mit uns..." Anklagend sehen deine Augen in meine, fast, als ob sie wüssten, dass ich die Antwort schon gekannt hatte.
"Schon gut..." leise flüstere ich es dir zu. Nun bin ich es, der mit den Tränen kämpfen muss. Wieder liegt dein Kopf an meiner Brust. Ich sehe zu, wie das Wasser aus den vollgesogenen Haaren auf den Boden Tropft. Dann siehst du mir wieder von unten herauf in die Augen. Ein kleiner Stich, wenn ich dich so ansehe...
"Es war damals eine schöne Zeit mit dir..... Mein Engel." Schmunzelnd erinnerst du dich an den alten Kosenamen, den du mir damals gegeben hast. Hat sie ihn auch so genannt? Spielte es eine Rolle? Ja. Nein. Inzwischen nicht mehr...
"Ja, das war sie..." Ich sage es mechanisch, fast betäubt, es klingt für mich, als ob ein Fremder sprechen würde. Dein Blick hat etwa anklagendes, als du wieder aufsiehst.
"Mir ist kalt... Ich sollte gehen..." Doch die Temperatur ist nichts im Vergleich zur eisigen Kälte, die wie ein früher Winterhauch in deiner Stimme liegt. Leise löst du dich von mir und drehst dich um. Ich sehe dir nach, der Mantel flattert im zunehmenden Wind um meine Beine. Meine Gedanken geraten hektisch in Bewegung, ganz anders, als der analytische und kalte Verstand, der diesem Körper sonst innewohnt. Dann, kurz bevor deine Konturen mit dem Grau der Regenschauer verschmelzen, hört es auf. Kein einziger Gedanke steigt als Blase aus dem Sumpf des Verstandes auf, als ich dir lautlos hinterhergehe. Der Atem fängt schon an, in der Lunge zu brennen, als ich dich endlich einhole. Ich halte dich am Arm fest. Fast erschrocken blickst du, als du dich umdrehst. Ohne zu denken Handle ich: Ich ziehe dich langsam ganz nahe zu mir. Langsam kommt mir dein Gesicht entgegen. Die Lippen, die auf meine treffen sind kalt... So schrecklich kalt... Wie lange wir so dastehen, weiss ich nicht... Als ich wieder die Augen öffne, sehe ich dein Gesicht... Das erste wirkliche Lächeln, das ich heute bei dir sehe zeichnet sich darauf ab. Verlegen schauen wir beide zu Seite. Am Wegrand stehen ein paar Schneeglöckchen. Die ersten Vorboten des Frühlings.

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